Chinesische Geschichte I
Heute hab ich einen Geschichts-Anschlag auf euch vor, denn am Montag schrieb ich einen Geschichts-Test. Ich weiß nicht, ob es wen von euch interessiert, aber wenn ich mich schon damit beschäftigt habe, dann will ich hier mal einen groben (!) Überblick über die chinesische Geschichte von den Anfängen bis zum 1. Opiumkrieg (1839-1842) geben, von dem ab die gewaltsame Öffnung Chinas für den Handel durch die sich industrialisierenden Länder des Westens (und Russlands, Japans) begann, die später in eine Semi-Kolonisierung münden sollte. Davor verlief die Geschichte Ostasiens mit China als kulturellem Mittelpunkt weitestgehend eigenständig, da geographisch durch Meere, Gebirge und Wüsten von anderen zivilisierten Gebieten abgeschnitten. Bekanntlich war die chinesische davor zeitweise die technologisch etc. fortgeschrittenste Zivilisation auf der Erde.
Am Anfang hatte die chinesische Zivilisation ihren Schwerpunkt in Nordchina entlang des Gelben Flusses. Dieses Gebiet ist eher eben im Gegensatz zu Südchina um den Jangtse (Changjiang = Langer Fluss) und südlich davon. In Nordchina werden vor allem Nudeln gegessen, in Südchina vor allem Reis.
Die Bronzezeit wird auf 2200-500 v.Chr. angesetzt, die Eisenzeit begann um 600-500 v.Chr. Es gibt ein paar mythische Kaiser und Dynastien, dann die archäologisch halbwegs nachweisbaren Xia- (2200-1750), Shang- (1750-1040) und Zhou-Dynastien (1100-256 v.Chr.).
In der Zhou-Dynastie wird es erst richtig interessant. Schon bald hatten die Zhou-Herrscher keinen Einfluss mehr auf abgelegene Gebiete, und so gab es innerhalb des Reichs bis zu 170 Staaten. Später gab es „Konzentrationsprozesse“ / Eroberungen, bis in der Zeit der Streitenden Reiche (475-221 v.Chr.) 7 maßgebliche Staaten übrig blieben. Etwa um diese Zeit gab es die „Hundert Schulen“: Es wurde angenommen, dass man sich in einer schweren Zeit befinde, und das frühe Zhou-Herrschertum wurde idealisiert. Auswege aus dieser Krise wurden gesucht. In dieser Zeit lebten etwa Konfuzius (551-479) und Laotse (vielleicht 6. Jh.), die Begründer des Konfuzianismus und des Daoismus. Erstere Philosophie konzentrierte sich auf ein ausgeprägtes Autoritätsdenken und die Notwendigkeit moralischen Handelns in der Gesellschaft, letztere war mystisch, autoritätsfeindlich und sah ihr Vorbild in der Natur. Außerdem gab es etwa den Legalismus, der alle unter dem König einem einheitlichen Gesetz unterwerfen wollte (und damit anti-aristokratische bzw. meritokratische Elemente enthielt) und auf strenge Regeln pochte, die der (militärischen) Stärkung des Reichs dienten, und den auch eher mystischen Mohismus und die Yin-Yang-Schule. Etwa in dieser Zeit gab es weltweit betrachtet auch den indischen Siddhartha Gautama (Buddha) und die griechischen Philosophen wie Platon usw.
Die Qin-Dynastie aus dem Westen Nordchinas sollte alle anderen Reiche unterwerfen und China zum ersten Mal in der Geschichte 221 v.Chr. einen (das eroberte Gebiet war größer als das der früheren Dynastien). Von Qin kommt auch unser Name China. Der Qin-Erfolg war auf legalistische Reformen zurückzuführen, und der erste Kaiser nannte sich Qin Shi Huangdi. Er war für seine Brutalität bekannt, er vereinheitlichte das Schriftsystem, Maße etc., ließ viele Bücher verbrennen, Gelehrte töten, er ließ die von einzelnen vorherigen Reichen zur Abwehr der Nomaden aus dem Norden errichten Mauerstücke zur Großen Mauer vereinen, und sein Grab wird von der Terrakotta-Armee in der Nähe des zentralchinesischen Xi’an bewacht. Xi’an war überhaupt oft die Hauptstadt Chinas, so etwa in der wichtigen westlichen Han- und in der Tang-Dynastie – in der letzteren war sie zeitweise evtl. die größte der Welt. Qin Shi Huangdi wird aufgrund seiner Brutalität meistens verachtet. Aufgrund dessen gab es auch bald Aufstände, und so riss bald die Han-Dynastie die Macht an sich (206 v.Chr. – 220 n.Chr.). Von Han leiten sich die Han-Nationalität (92% der Bevölkerung Chinas sind heute sog. Han-Chinesen), Hanyu (chinesische Sprache) und Hanzi (chinesische Schriftzeichen) ab. Diese Zeit relativer Stabilität wird im Rückblick als eine der größten Zeiten Chinas gesehen. Der Konfuzianismus wurde Staatsphilosophie. Allerdings wird dem China der ganzen Kaiserzeit vorgeworfen, dass der machtbewusste Legalismus die eigentliche Philosophie der Herrscher war und der sozialere Konfuzianismus nur die äußere Hülle darstellte. Weltweit gab es nur im Römischen Reich einen vergleichbaren Staat. Um 2 n.Chr. hatte das Reich etwa 60 Millionen Einwohner. Im 1. Jh. n.Chr. wurde das Papier erfunden.
Schließlich kam es mal wieder zur Auflösung der Reichseinheit. Nomaden aus dem Norden fielen ein, es gab Bauernaufstände und Naturkatastrophen. Solche Kombinationen werden als typisch für die Zeit des Untergangs einer Dynastie angesehen. Eine Zeit der Drei Reiche schloss sich an und China wurde für kurze Zeit unter der Westlichen Jin-Dynastie wieder geeint. Die Zeit der 6 Dynastien und 16 Königreiche schloss sich an. (ja, es gab viele Reiche, doch wie viele gab es im geographisch vergleichbaren Europa?) Während dieser Zeit gab es signifikante Wanderungsbewegungen von Han-Chinesen in den Süden Chinas (also an den Jangtse u.a.) und wiederum ein Einsickern der nördlichen Nomaden nach Nord-China, was insbesondere das Jangtse-Delta kulturell etc. aufwertete. In dieser Zeit der Wirren verbreitete sich auch der Buddhismus, der über die Seidenstraße, die schon das Römische Reich und Han-China miteinander verband, von Indien aus nach China erstmals im 1. Jh. n.Chr. gelangte. Während der Übertragung und der Zeit in China wurde der dortige Buddhismus verändert und den chinesischen Bedürfnissen angepasst. Die Blütezeit des Buddhismus in China kann auf das 5.-9. Jh. angesetzt werden.
Die Sui-Dynastie (581-618) einte China erneut. Nun wurde nach ersten früheren Ansätzen endgültig ein zentrales Beamtenprüfungssystem aufgebaut, das theoretisch jedem Chinesen die Möglichkeit auf hohe staatliche Beamtenposten einräumte – praktisch aber mit den besseren Mitteln und Beziehungen reicher Familien zu kämpfen hatte. Außerdem wurde der Große Kanal (Kaiserkanal) fertiggestellt, der damals von Hangzhou im Süden über Luoyang (auch eine wichtige Stadt im alten China) in die Nähe von Beijing im Norden lief. Ähnlich wie die Qin- überlebte auch die Sui-Dynastie nicht lange, sie wurde durch die langlebigere Tang-Dynastie (618-907) ersetzt. Auch sie wird neben der Han-Dynastie als eine der größten Zeiten angesehen. Anfangs war der Buddhismus so etwas ähnliches wie eine Staatsphilosophie. Da aber die buddhistischen Tempel immer größere Ländereien besaßen, die der kaiserlichen Steuer entzogen waren, wurde in der späten Tang-Zeit der Buddhismus zurückgedrängt; an seine Stelle trat wieder der Konfuzianismus. Um 650 gab es nur 50 Millionen Menschen in China, weniger als in der Mitte der Han-Dynastie.
Die letzten 50 Tang-Jahre waren ziemlich anarchisch und traumatisch. Im Nordwesten errichteten schließlich die tibetischen Tanguten ein Reich, im Nordosten die mongolisch-mandschurischen Kitan. Ein Überrest eines von Han-Chinesen beherrschten Chinas konnte sich mit der Song-Dynastie (960-1279) in Südchina halten. 1126-1276 war Hangzhou dessen Hauptstadt und zeitweise mit etwa 1,1 Millionen Menschen (500.000 innerhalb der Stadtmauer) die größte Stadt der Welt. Die Gesellschaft der Song-Dynastie war weltweit die erste mit gedruckten Büchern, außerdem wurde das Schießpulver erfunden. Erstmals spielte der Außenhandel über den Seeweg mit Indien o.ä. eine ansehnliche Rolle. Außerdem wurde in dieser Zeit der Neo-Konfuzianismus entwickelt, der auch buddhistische und daoistische Elemente enthielt, eine Menge sozialer Regeln enthielt und sich bis zum 20. Jahrhundert halten sollte. Jedoch war die Song-Gesellschaft stets der Gefahr des Angriffs von nördlichen Nomaden ausgesetzt. Weshalb einfache Nomaden die damals am weitest entwickelte Gesellschaft der Welt erobern konnten, ist eine interessante Frage. Dass die konfuzianischen Gelehrten den Platz der Soldaten in der Gesellschaft selbst unter den verachteten Händlern sahen, spielte sicher eine Rolle. Zudem waren die Nomaden im Gegensatz zu chinesischen Bauern im Umgang mit dem Pferd und mit der Jagd vertraut, was sie zu potentiellen Kriegern machte.
Bald war es nämlich so weit, als die Mongolen unter Dschingis Khan und seinen Erben China und große Teile Eurasiens eroberten. 1276 wurde Hangzhou erobert, 1279 die Song-Dynastie endgültig ausgelöscht. 1258 eroberten sie Bagdad und versetzten dem abbasidischen Kalifat damit den Gnadenstoß. 1241/42 wären die Mongolen wohl auch in Deutschland eingefallen – sie standen bereits in Polen, Ungarn und an der Adria –, wenn nicht gerade der damalige Großkhan gestorben wäre und eine große Versammlung zur Wahl eines neuen ausgerufen worden wäre. Das mongolische Weltreich sollte sich bald vierteilen; ein Teil davon war die Yuan-Dynastie in China (1279-1368). Die Provinzeneinteilung Chinas durch die Mongolen wirkt bis heute fort. Gab es in China Ende des 12. Jh. etwa 120 Millionen Menschen, so sahen die folgenden Jahrzehnte signifikante Bevölkerungsrückgänge. Es folgte die Ming-Dynastie (1368-1644), unter deren Herrschaft es erst 80 und am Ende 160 Millionen Chinesen geben sollte. In der frühen Ming-Zeit erhielt die Große Mauer ihre heutige Form. 1405-1433 gab es die berühmten Schiff-Expeditionen des Eunuchen-Admirals Zheng He, der bis nach Ostafrika und nach Mekka reiste. Seine Schiffe waren technologisch viel weiter entwickelt als diejenigen von Kolumbus 1492 und seine Flotte war stärker als die der Spanischen Armada 1588. Im Prinzip waren seine Reisen mehr oder weniger dazu da, um die Überlegenheit Chinas zu dokumentieren und unter dem Deckmantel von Tributzahlungen unterlegener Länder und im Gegenzug dem Ausgeben von üppigen Geschenken an diese (China Tribut zu schulden konnte sich durchaus lohnen) Außenhandel zu treiben. Aufgrund von internen Hofstreitigkeiten wurde die Schifffahrt aber bald stark beschränkt; China fiel in dieser Hinsicht (und wohl auch in anderen) technologisch zurück.
Die mandschurische Qing-Dynastie (1644-1911; nicht zu verwechseln mit der Qin-Dynastie, die China erstmals einte) versetzte China nach der mongolischen unter die zweite große Fremdherrschaft. China war recht stark im 18. Jahrhundert, als es einen gewissen Kolonialismus betrieb und Teile der Mongolei, Ostturkestan (Xinjiang), Tibet und Taiwan eroberte. Im Vergleich zu dem Kolonialismus, den um die gleiche Zeit die europäischen Staaten betrieben, war das aber von wenig Bedeutung. Der Stern der Qing-Dynastie sank allmählich, und bald sollte der 1. Opiumkrieg folgen, bei dem ich ja aufhören wollte.
Im Rückblick werden die Han- und die Tang-Zeit als die größten Zeiten Chinas angesehen; außerdem gab es noch Glanzzeiten in der frühen Ming- und in der mittleren Qing-Zeit. Wenn mir jemand in etwas widerspricht, dann freue ich mich auf die Diskussionen ;-)
confucius87 am 21. Oktober 11
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3 Kommentare
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schöner überblick.
wenn das die chinesische darstellung der geschichte ist, dann deckt sie sich mit der europäischen.
mich würde noch interessieren:
a) wie konfuzius heute gesehen wird und ob der daoismus im heutigen kapitalistischen china überhaupt noch eine rolle spielt
b) in wiefern die mythen vom jadekaiser und den paradiesischen qin-zeiten von den heutigen chinesen bewertet werden
c) was hat es eigentlich mit der symbolischen bedeutung der allgegenwärtigen drachen auf sich
ciao
Ich kann nicht behaupten, dass es wirklich eine spezifisch chinesische Darstellung der Geschichte ist, die wir hier gelernt haben und die ich aufgeschrieben habe. Wir lasen Teile eines Buchs von John K. Fairbank, und außerdem war unser Professor auch mal in den USA und Kanada. Er hat auch gemeint, dass er die chinesische Geschichte so lehrt, wie sie im Westen gelehrt wird. Wie die Geschichte anders gesehen werden kann, weiß ich also bis jetzt nicht!
Ich kann deine Fragen leider nur mit Wikipedia-Wissen und Vermutungen beantworten, die ich auch schon vor der Reise hierher hatte ;-)
a) Wie ich es verstanden habe, versuchte die KP Chinas den Konfuzianismus in der letzten Zeit teilweise zu revitalisieren, um das Ideologievakuum seit der allmählichen Auflösung des Kommunismus seit Deng Xiaoping in ihrem Sinne positiv zu füllen. Konfuzius propagierte ja auch ein starkes Autoritätsdenken. Ich vermute, dass er von Menschenrechtlern deshalb kritisch gesehen wird.
Der Daoismus spielt wohl am ehesten in der Landbevölkerung eine Rolle, und was die Leute dort denken, davon habe ich keine Ahnung. Religion wurde hier in letzter Zeit wichtiger, aber ich denke, die Bedeutung hält sich in Grenzen …
b) Ich vermute, dass die Mythen als nette Märchen aufgefasst werden. Und ich weiß nicht, wieso die Qin-Zeit als paradiesisch aufgefasst werden sollte. Falls du die frühe Zhou-Zeit meinst, dann ist die Bewertung bestimmt auch sehr unterschiedlich. China ist ein großes Land …
c) Der Drache (long) symbolisierte die königliche Macht. Er hat die Merkmale von 9 Wesen in sich vereint (mehrere Versionen, z.B.: Hirschhörner, Kamelkopf, Dämonenaugen, Schlangennacken, Muschelbauch, Karpfenschuppen, Adlerklauen, Tigersohlen, Kuhohren). Und er hat in China eine positive Bedeutung, im Gegensatz zur europäischen Mythologie (z.B. die Mutter meiner Frau ist ein Drache; in China ist als Drache bezeichnet zu werden dagegen ein Lob). Allerdings gibt es auch chinesische Volksmärchen, in denen der Drache als negativ angesehen wird.
Daneben gibt es noch viele andere verschiedene Drachen, die für alles Mögliche zuständig sind ;-)
Also sind Drachen so eine Art chinesische Wolpertinger! Jedenfalls bekämpft man sie nicht. Interessant.